Sinn und Unsinn der Präsenzkultur in Unternehmen
Das Werte wichtig sind im Leben ist nichts neues.
Wenn man über Work Life Blending vs. Work Life Balance spricht, gehen die Meinungen auseinander. Einige sind der Auffassung, der Job gehöre genauso zum Leben dazu wie das Life und finden eine Differenzierung Quatsch. Andere hingegen fürchten die Aufhebung dieser Trennung vor Angst dann gar kein „Life“ mehr zu haben, da man für den Chef dann auch offiziell ständig erreichbar ist.
Bei der Präsenzkultur ist es ähnlich wie bei dem Thema Work Life Balance, auch hier spalten sich die Lager. Werden auf der einen Seite die Rufe nach Home-Office-Möglichkeiten lauter, schaffen Unternehmen wie IBM diese wieder strikt ab. Schaut man über den deutschen Tellerrand hin zum Silicon Valley hört man auch hier oft, wie wichtig die räumliche Nähe der Mitarbeiter untereinander sei. Manche gehen sogar so weit, dass sie mit jemanden nur zusammenarbeiten möchten und als potentiellen Geschäftspartner betrachten, wenn er oder sie in der unmittelbaren Umgebung ansässig ist. Und es leuchtet auf den ersten Blick durchaus ein. Ist doch gerade bei Start-Ups und Innovationen gerade die Schnelligkeit ein enorm wichtiger Faktor und entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes. Aber auf der anderen Seite haben wir ja genau dafür heutzutage dank der modernen Kommunikationsmittel alle Möglichkeiten. Kommunikationsmittel, die sogar genau dort erfunden wurden: In Kalifornien von Firmen wie Facebook, Google & Co. Und doch legt man ausgerechnet dort Wert auf den persönlichen Kontakt und den Austausch, auf das Zusammenarbeiten in der Ideenschmiede. Sofort hat man Bilder vor Augen wie junge Gründer oder auch Angestellte stunden- und nächtelang zusammenhocken um an einer Idee zu feilen. Gründer, die Flip-Flops und kurze Hosen tragen. Im Office, das eher aussieht wie ein Wohnzimmer, auf der Wiese des Campus oder im Garten des Büros, im Café nebenan. Braucht man eine Pause, legt man sich kurz auf das Sofa, geht ins Fitnessstudio oder stärkt sich bei einem gesunden Mittagessen, dass der Koch mitten in der offenen Küche des Großraumbüros aus frischen Lebensmitteln gezaubert hat.
Aber mal ehrlich, wer in Deutschland schon mal einen Schritt in ein Unternehmen gewagt hat, weiß, dass die Realität hier für gewöhnlich ein wenig anders aussieht. Man sitzt steif in Businesskleidung an Buche-Schreibtischen aus den 80iger Jahren, in der Kantine gibt es drei Standard-Gerichte, die einem bis abends meist schwer im Magen liegen und der Kicker, der einst die Coolness und Lockerheit repräsentieren sollte, verstaubt in der Ecke. Darüber hinaus verbringt man unendlich viel Zeit in unproduktiven Meetings und zusammenarbeiten tut auch keiner so recht. Viele scheuen sich immer noch davor ihr Wissen offen mit Kollegen zu teilen aus Angst vor Machtverlust. Und nach spätestens 10 Stunden geht’s nach Hause. Dem deutschen Arbeitszeitgesetz sei Dank. Das klingt hart und in vielen Fällen sicherlich auch ungerecht, aber oft genug ist es doch traurige Realität.
Wann am Tag hast du deine kreative Phase?
Bei mir ist es in der Früh nach dem Aufstehen bis zum Mittag und dann wieder ab nachmittags bis spät abends. Abends, wenn andere vor dem Fernsehen sitzen und ihren Feierabend genießen, sitze ich am liebsten vor dem Laptop und arbeite. Denn ich habe dann einfach gute Ideen und bin kreativ. Am frühen Nachmittag brauche ich eine Pause, meine Beine sehnen sich nach Bewegung, mein Magen braucht eine Stärkung. Ebenso mein Geist. Auch er will eine Pause haben und möchte abschalten. Wenn ich Zuhause bin, gebe ich beiden genau das was sie verlangen. Und zwar durchaus länger als die standardmäßige Mittagspause von 30 Minuten. Ab Nachmittags bin ich wieder total motiviert und vor allem produktiv. Ich genieße es am Abend bereits alle wichtigen Dinge des Tages erledigt zu haben und mich dann in Ruhe für größere Projekte an den Schreibtisch zu setzen.
Im Büro geht das in dieser Form nicht. Manchmal frage ich mich nach dem Warum. Ist es tatsächlich undenkbar oder einfach nur zu weit weg in unseren Köpfen, die noch auf 9-5 gepolt sind? Und wenn es nur 9-5 wäre. Oftmals ist es ja eher ein 8-Ende offen, wobei die 10+ Stunden oftmals alles andere als produktiv sind. Auch unsere Arbeitskultur spielt eine große Rolle dabei, warum wir sofort den Kopf schütteln und sagen, dass dies nicht möglich sei. Wir sind immer noch zu sehr in der Präsenzkultur gefangen. Davon müssen wir weg. Hin zur Ergebniskultur, in der zählt WAS der Einzelne leistet und nicht WIE LANGE er da war. Aus meiner eigenen Erfahrung kenne ich Fälle, da lesen Mitarbeiter morgens gemütlich Zeitung, die Füße auf dem Schreibtisch, Zeitung in der einen, Stulle in der anderen Hand. Kein Scherz. Und wehe es kommt jemand rein und hat eine Frage und unterbricht die Frühstückspause. Alles schon erlebt, alles schon gesehen. Oder am späten Nachmittag wird lustlos im Internet gesurft, die nächste Urlaubsreise online gebucht oder sonst wie die Zeit vertrödelt. Bloß nicht eher als der Chef gehen lautet die Devise. Wir müssen schließlich einen guten Eindruck machen und zeigen wie engagiert und fleißig wir sind. Oder die geliebten Raucherpausen, die selbst von denjenigen in Anspruch genommen werden, die gar nicht rauchen, aber jede Abwechslung willkommen heißen. Verrückt, oder? Und nicht nur das: Auch ziemlich kostspielig fürs Unternehmen.
Der gesunde Menschenverstand sagt einem eigentlich schon beim Lesen, wie schwachsinnig diese Präsenzkultur ist. Und doch ändern wir sie nicht. Das geht schließlich nicht. Dann macht ja jeder was er will. Dann arbeitet keiner mehr und alle machen nur noch Freizeit. Der Job ist ja kein Wunschkonzert, sondern der „Ernst des Lebens“. Und der darf natürlich bitte keinen Spaß machen, dafür wirst du schließlich bezahlt. Doch genau das fordert die Generation Y: Sie will Spaß bei der Arbeit haben und sich selbstverwirklichen.
Unternehmen sollten Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben!
Und Ihnen die Freiheiten lassen, die sie brauchen. Klar, das geht nicht bei jeder Tätigkeit. Aber oftmals geht es eben doch. Und wenn die Mitarbeiter das ausnutzen, dann sind sie nicht motiviert. Aber dann sind sie es auch im Büro nicht. Oder glaubt jemand ernsthaft die High Potentials schalten das Hirn ab, sobald sie Zuhause sind und die Low Performer sind plötzlich Produktivitätsmaschinen im Büro nur weil der Chef eine Tür weiter sitzt?
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